Nahöstliche Steigerungsformel
hass
hamas
hamassaker
Über den Tod
der tod wenn er kommt
dachte ich
klingelt nicht an der tür
falsch
schreien die nachrichten
tut er doch
Wetter
versteckt hinter himmelsblau
sanftes donnerrollen
drohendes versprechen
dunkel dräut
plötzlich schweigen sonnenstrahlen
immer stärker ein wind
dann regen
leise
Erkenntnisreise
stell dir vor
du verlässt
dein zuhause
deine stadt
dein land
deinen planeten
dieses sonnensystem
und dann
immer weiter
hinaus
hinein
in die unendlichkeit
und dann
drehst du dich um
schaust du zurück
und erkennst
was du verlassen hast
eine
absolute
ungeheuerliche
unbedeutsamkeit
Identitätskrise
wenn alle
in ihrer jeweils eigenen welt
mit ihren jeweils eigenen gefühlen
gedanken
erfahrungen
folgerungen
haltungen
argumenten
und werten
verharren
wie sollen wir dann jemals wieder
zusammen etwas gemeinsames schaffen
A une voiture rouge
la cerise
traumatise
la volonté du conducteur
la cerise
improvise
en sa seule faveur
la cerise
favorise
les farceurs
la cerise
se déguise
en pompier-sapeur
la cerise
analyse
la circulation
la cerise
rétrovise
ses suivants
la cerise
concrétise
tout ce qui bouge
la cerise
je précise
est une voiture rouge
massen von wasser
auf der asche von wäldern
darüber hinweg ein sturm
die erde bebt
sie kann nicht mehr
anders
altersmüll.de
oft so mürrisch hilfsbereit
schweigsam worte haben’s weit
schleppt sich still die straße lang
keine lust kein tatendrang
nur im auto noch mobil
und selbst das hilft ihm nicht viel
kaputt gesoffen
grau geraucht
und in den müden augen nur ein satz:
ich werd nicht mehr gebraucht
Automobile Beobachungen
japanischer möchtegernsportwagen
zahnspangendosengleich
auf drei rädern
gekippt
steht er da
hinten lädiert repariert beklebt getaped
typische sportverletzung halt
der alte audi vor der garage denkt schon seit jahren:
ich führ so gern da mal rein
jedoch
der besitzer kennt diese verbform nicht
Liebeserklärung
meine liebe steht auf dem dach
eines brennenden hauses
und schreit nicht um hilfe
meine liebe lebt von geborgter zeit
stunde um stunde
und schaut nicht auf die uhr
meine liebe läuft am himmel entlang
immer schneller
bis dass ihr schwindlig wird
meine liebe kuschelt sich
in das nest jedes lächelns
um lippen, die keiner kennt
meine liebe weiss nichts
vom ewigen aber
und hat keine furcht vor dem doch
meine liebe braucht liebe
oder zumindest die hoffnung
dass es sie trotz allem gibt
meine liebe steht auf dem dach
eines brennenden hauses
und schreit nicht um hilfe
immer wieder
Septemberfolgen
zwei hochhaustürme
zwei passagierflugzeuge
eine handvoll mörder
über 3000 tote
viele ungerechte kriege
und noch mehr tote
bis heute
und in zukunft
Poème à faire mijoter à petit feu
un navarin marin
à la sauce succulente
embaume de son parfum
presque une presqu‘île complète
dans l‘océan de la mémoire
quelle métamorphose
de la brise marine
Salut des vacances
de l‘autre bout
de l‘océan
une voile blanche
ou une carte postale
tension au-dessus
des vagues
qui fera trembler
un vieux continent
devenu superbemarché
pauvre europe
Wartezeit
es brennt ein fisch am horizont
in langen, grünen flammen
es glüht ein junger mann in mir
vor sinnlosem Verlangen
es tanzt ein baum zur mittagszeit
mit ungelenken sprüngen
es flattert in mein herz hinein
ein kolibri mit tauben schwingen
es schreit ein tier zum mond hinauf
vor rasendheißem zorn
es schweigt der fluss im morgenrot
die sonne scheint die erde tot
und alles bleibt nicht wie es war
und nichts beginnt von vorn
Ich hätte dir gern ein Gedicht geschrieben
ich hätte dir gern ein gedicht geschrieben
doch ich sitz‘ hier und nichts fällt mir ein
was hat mir bloß mein dichten vertrieben
ich sitz‘ hier und fühl‘ mich allein
ich hätte dir gern ein gedicht geschrieben
so eins, wie du sie an mir magst
ich wäre so gerne noch bei dir geblieben
als du heute morgen neben mir lagst
ich hätte dir fast ein gedicht geschrieben
weil du jeden tag mir eins gibst
doch jetzt kommst du herein
zerstörst mir den reim
und sagst mir, dass du mich liebst
Loslösung ein alter baum ein zarter zweig ein letztes blatt ein leises zittern dann ein sanftes schweben
Inspiration
schreib doch mal
sagte sie
ein gedicht über die lust
lust
sagte ich
lust?
ich?
das kann ja lustich werden
Mal-Werk
letztes mal
immer mal
dieses mal
nächstes mal
kein mal
ander mal
wieder mal
jedes mal
lass mal
Männerleiden
mein linker finger stinkt nach matjes
mein rechter fuß fährt sich zu blei
an meinen plomben kleben katjes
es hängt das eine immer tiefer
als das andere ei
Der Köterist der köterist ist ein faschist der von sich glaubt dass er keiner ist er macht uns anderen gerne beine vom unteren ende seiner leine am oberen, das ist bekannt, mangelt es öfters am verstand der köterist ist terrorist der nicht weiß dass er einer ist er liebt abgöttisch seinen hund egal, ob schwarz, ob weiß, ob bunt über den mensch stellt er das tier der hund, der knurrt, kann nichts dafür der köterist ist ein sadist der nicht erkennt dass er einer ist mein Hund tut dies nicht und nicht das er will nur spielen, macht nur spaß und scheißt er noch so ungeheuer – wofür zahlt man denn hundesteuer der köterist ist egoist der ignoriert dass er einer ist so zieht er täglich seine spuren durch unsere schöne menschenwelt und seine armen kreaturen müssen tun, was ihm gefällt der köterist ist wie er ist und wehe dir wenn du keiner bist
Wenn Schützen einen Graben graben
neulich fand ich einen graben
in dem sah ich schützen graben
– edle schützen, darf ich haben
teil am schützen und graben?
– dazu muss du dich erst laben
an einem schützen hier im graben!
– ach so, dann möchte ich am graben
und am schützen und am laben
lieber keinen anteil
haben
und die moral von der geschicht:
wenn schützen keinen graben haben
graben sie einen schützengraben
Rêve du Sagittaire
des quatre points cardinaux
j‘en tiens deux
entre mes mains
la tension de l‘horizon
courbé comme un arc
dont je serai un jour
la flèche
Ostseelied
(für Ilsebill, den Butt und alle Seglerinnen dieser Welt)
auf störtebekers spuren
rauscht unser schiff durch die see
nasses, graugrünes laken
zerwühlt noch vom sturm der vergangenen nacht
der hering schmeckt fad
es fehlt das salz in der suppe
treiben wir vor lübeck kieloben
haben wir grund auf der höhe von gotland
such ich nach dir in den sunden
während du in den schären über mich schimpfst
zieht es mich wieder nach petersburg
und du wartest in kopenhagen am hafen
du sagst mir vor rügen die wahrheit
und ich belüg dich im belt
inseln stehen geduldig schlange
kreidefelsenbleich in der brandung
möwen lachen im aufwind
und kommen niemals zur ruhe
treiben wir vor lübeck kieloben
haben wir grund auf der höhe von gotland
such ich nach dir in den sunden
während du in den schären über mich schimpfst
zieht es mich wieder nach petersburg
und du wartest in kopenhagen am hafen
der tag hat vor der nacht die segel gestrichen
still ruht die see unter sternen
der mond träumt vom schlachten im skaggerak
piratenspuren enden blutig unter‘m schafott
in den kojen lauert auf unsere träume
der klabautermann mit sandigen händen
treiben wir vor lübeck kieloben
haben wir grund auf der höhe von gotland
such ich nach dir in den sunden
während du in den schären über mich schimpfst
zieht es mich wieder nach petersburg
und du wartest in kopenhagen am hafen
Phraséologie Relative
celui qui dit
celui qui parle
celui qui crie
celui qui râle
celui qui veut
celui qui peut
celui qui fait
celui qui sait
celui qui prie
celui qui chie
Moderner Spießerneid
dein haus ist größer
dein job ist wichtiger
dein vorgarten ist felsiger
dein konto ist fetter
dein auto ist dicker
dein carport ist schicker
dein iphone ist schwärzer
deine frau ist geiler
deine kinder sind schlauer
dein schwanz ist länger
als ich
Meisenkastenflugverkehr
der tower erteilt
am laufenden band
start- und landeerlaubnis
so fliegt es
immer mit höchster geschwindigkeit
passgenau ins loch
und wieder hinaus
niemals anstoss nehmend
gierig piepst es pausenlos
fluglotse hunger
immer bei der arbeit
Schreckliches Gedicht
die finger fest in die wunden gedrückt
die wir uns bewusstlos geschlagen
dreh das messer noch einmal herum, geliebte
hinein ins fleisch bis zum schaft
wo bleibt der tritt in die magengrube
die haken in leber und nieren
augen zu und drauflosgelitten
bis alles wehtut und nichts mehr hilft
die zunge gespitzt und in gift getränkt
die lippen rasiermesserscharf
wer jetzt die zähne zusammenbeisst
muss lernen wie blut schmeckt
hilflos zittern unter den hieben
die der andere gegen sich selber führt
verzweiflung herrscht wenn blinde wut
der liebe das wort im munde verdreht
am ende bleibt in den herzen
ein ebbegebeuteltes wattenmeer
grau und leer bis zum horizont
bepflastert mit salzigen pfützen
und der hoffnung auf flut
Sofias Wogenlied*
*Einst geschrieben anlässlich der ersten Überquerung des Ärmelkanals durch den Säugling Sofia Gerda S.
kalte graue wellen
tragen dich
doch du willst noch nichts wissen
von der see
die grüne küste kents im nebel
ist dir scheissegal
die gotik canterburys ist ein furz
im zeitalter der windel
viele hat die insel kommen sehen
gelandet sind die wenigsten
geblieben sind ein paar
und später wollte niemand es gewesen sein
so jung wie du
war kein eroberer
doch noch in 1066 jahren
wird in den pubs von dir die rede sein
kalte graue wellen
tragen dich
du wirst noch viel lernen
von der see
Klaglos
das große klaglos
habe ich gezogen
kein wort mehr!
still und aus
vor allem endlich vorbei
soll es sein
das große klaglos
in der lebenslotterie
und deshalb ruhe jetzt!
nieten gibt es schon genug
die zunge beisst sich
blutig durch
das große klaglos
wo jede nummer nie gewinnt
tausend jahre lachhaft!
her mit hansaplast und tesafilm
uhu drauf und pattex
voll die lippen
das große klaglos
habe ich gezogen
doch jetzt kein wort mehr!
still und aus
und trotzdem nicht vorbei
will es sein
Moritat vom Elch, der nicht in Brandenburg bleiben wollte
zugewandert aus dem osten
kam nach brandenburg ein elch
wollte mal vom westen kosten
und trinken aus dem wohlstandskelch
tief im wald auf einer lichtung
sah so mancher mensch ihn stehn
„ist das wahrheit? ist das dichtung?
so’n großes reh hab ich noch nie gesehn“
der elch, er wurd‘ zur sensation
man schrieb im wundertaten zu
doch er mied jedes mikrofon
wollte ganz einfach seine ruh‘
doch mit der ruh‘ war es vorbei
nicht, weil der elch ein lämmlein riss
nein, es gab riesengroß‘ geschrei
als er sonntags vor die kirche schiss
da kamen alle angelaufen
von nah und fern, von taz bis bild
sie starrten staunend auf den haufen
und posteten danach wie wild
dem elch war all dies scheißegal
er sprach zu sich unter den tannen:
„das alles ist nicht mehr normal“
und machte sich des nachts von dannen
so zog es fort, das stolze tier
und wandte sich gen süden
es trabte bis nach agadir
elche tun selten schnell ermüden
dort an des atlantiks küste
badete der elch am strand
danach ging er in die wüste
er hatte plötzlich lust auf sand
in der nomaden guten händen
lebte der elch dann kreuzfidel
und so kann das hier happy enden
der elch ist heute ein kamel
Neuanfang
der blaue baum vor meiner tür
schlug eines nachts mit mürben ästen
an das spröde eisen
als gelbes wasser
aus dem abfluss stieg
und gurgelnd in die wanne floss
der blaue baum vor meiner tür
trat eines nachts mit faulen wurzeln
nach verätzten hunden
als grüner speichel
leise plätschernd durch den rinnstein rann
und regenbogenfische übers pflaster huschten
der blaue baum vor meiner tür
starb eines morgens
als sonnenstrahlen auf ihn niederfielen
aus einem blauen himmelsloch
als milder wind
den staub von seinen zweigen blies
als irgendwo ein vogel sang
zum ersten mal
seit zwanzig jahren
Les larmes du rasoir
les larmes du rasoir
ne coulent pas
elles gouttent
goutte par goutte
au goût amer
du fer
à repasser
les larmes du rasoir
sont alarmantes
comme des demandes
comme des commandes
comme des amendes
larmantables lamentables
à table
les larmes du rasoir
rasables risibles
irrésistibles
ils rasent la peau
ils rasent les murs
ça me rase
bien sûr
Le cure-curé-dent
le cure-curé-dent
d’abord
cure la dent
mais ça dure
quand on a la dent dure
puis
la dent une fois curée
arrive le curé
à pas mesurés
religion en purée
longue durée
endurée
à s’en curer le nez
Zahnstocher-Reklame
wer stochert so wild im mund herum
es ist der zahnstocher er stochert stumm
in jedem raum zwischen den zähnen
tut er speisereste wähnen
und seines holzes spitze spitze
schafft es in die schmalste ritze
statt mit dem finger nachzufühlen
statt mit der zunge rumzuwühlen
greif schnell zum stocher doch vergiss nicht
mit etwas rotwein nachzuspülen