Klassik für Fortgeschrittene oder: Ein Tag der ernsten Musik.

1. Allegro vivace.

Wieder einmal stand Mendels Sohn wie Waldi im Beet Hovens auf dem Griegsfuß mit dem Fischer aus Dieskau. „Gib mir sofort meinen Schuh, Mann!“, rief er zornig und warf voller Liszt einen Bernstein in den Bach. Es machte „Gluck“, und er hatte einen Haydnspaß. „So was kriegen selbst die Maler von Moz Art nicht gehändelt“, meinte er und lief den Schönberg hinab nach Stockhausen. Unterwegs kaufte er noch einen schönen Strauß, weil er die Mutter von Karl-Maria, dem einzigen Weber im Ort, zum Essen bei Rossini einladen wollte. Damit hatte er den Nigel auf den Kopf getroffen. „Helf Gott!“, rief die Mutter, „kenn i di? Egal, erst mal einen Chopin Wein! Wer die Mutter nicht ehrt, geigt im Leben verkehrt. Komm’ also flugs in meinen Karajan, da ziehen wir das Gewand aus und machen unser eigenes Orchester. Oho, ich sehe, du hast den Bogen raus…“

2. Allegretto.

Einige Takte später – Mendels Sohn war völlig cello, aber quietschfidelio eingeschlafen – spielte die Mutter mit ihrer Carrerasbahn, als ihr plötzlich ein Gedanke kam: „Heute ist doch Domingo,“ dachte sie, „da haben alle prey, da geh’ ich doch lieber mit Otello ins Moor und stech’ ein bißchen Orff. Und nachher essen wir bei Placido noch ein paar Varotti.“ Am liebsten hätte sie ihre Schwester Carmina mitgenommen, doch die litt an einer verschleppten Burana.
Dieses Leiden hatte sie sich auf Lohengrins Nachen zugezogen, als sie gerade das Brahmssegel setzte, um bei Reuth noch pünktlich Anker zu werfen. Eigentlich sollte es ja in die Neue Welt gehen, aber ihr Mann Richard hatte sie dann so trist angesehen, dass sie zu ihm sprach:
„Liebster, du hast mich nie belungen, das ist wahr. Lass’ uns nach Nürnberg gehn’, zum Meister Sänger, dem Bruder von Eva Rienzi. Der hat eine Zauberflöte, auf der will ich dir blasen, dass du aus deiner Götterdämmerung erwachst. Dann bauen wir mit dem ganzen Rheingold an der Mosel aus Tannhäusern eine Feriensiedlung und vermieten sie an fliegende Holländer.“
„Quatsch keine Opern,“ zürnte Richard, „ich will nach Sevilla, da gibt es einen Barbier, der macht in seinem Laden die besten Cosi fan tutte der Welt.“ „Die besten gibt’s bei Don Giovanni,“ schwärmte Carmina, „mit ganz viel Papageno drauf, köstlich. Übrigens,“ fügte sie schnippisch hinzu, „Samson und Delilah gehen da auch immer hin.“ „Ja, ja, ich weiß,“ giftete Richard zurück, „und deine lieben Freundinnen Tosca und Aida höchstwahrscheinlich auch.“ „Also bitte, Richard, nicht wieder diese Arie!“

Daraufhin hatte Richard begonnen, nervös mit einem Nussknacker zu spielen, den er am Ufer des Schwanensees gefunden hatte. „Richard,“ sagte seine Frau leise und schüttelte traurig den Kopf, „Ach Richard, lass es doch, du hast es einfach vergeigt.“

3. Andante.

Von diesen eintönigen Erinnerungen dirigiert, machte die Mutter den ganzen Nachmittag den Faun, während Mendels Sohn längst nach Bucco unterwegs war, weil dort um 20 Uhr Zarathustra „Also“ sprach. Carmina, ihre Schwester, traf sich derweil am Offenbach mit Jacques, der sie einst aus dem Serail entführt hatte. Jetzt behauptete er allerdings schon seit Monaten, er sei in Wirklichkeit ein Zar und Zimmermann. Aber da war er gewaltig auf dem Holstweg.

Der Tag schloss mit einem Paukenschlag. Die Mutter saß zu Hause und plante schon die nächste Party-Tour, als sie vor lauter Freude Götterfunken schlug und unvollendet den Feuervogel gab.

 


Die kleine Ahnung

Die kleine Ahnung

 

(Ein wissenschaftlicher Bericht)

Es gibt, irgendwo an der deutschsprachigen Meeresküste, eine Insel, die mit einer sehr schmalen Landzunge mit dem Festland verbunden ist. Sie ist also eigentlich eine Halbinsel. Die Kleine Ahnung hat es bis heute geschafft, von den Geografen und Kartografen und Landbaronen nicht entdeckt worden zu sein. Deshalb konnte sich auf der Kleinen Ahnung eine Zivilisation entwickeln, die weltweit ihresgleichen sucht.

Die Menschen, die Die Kleine Ahnung bevölkern, wohnen in Orten, die da heißen: Weissenoch, Willsedenn, Weissenich, Kannerdoch, Hassemal, Willernich, Kommsemal, Abersonst, Sonstnoch, Kleinlaut, Großlaut, Mittellaut, Widersinn, Lernreich, Dachtesie oder Wusstichnich.

So weit der aktuelle Stand der Forschung.


Schmuddel und Hügiäne

(Eine Legende aus der Zukunft.)

Schmuddel und Hügiäne waren die einzigen Überlebenden einer globalen Katastrophe, in Gang gesetzt von den vereinigten zornigen Göttern der Welt, um die Menschheit endgültig zu bestrafen für alle ihre Untaten.

Aber, wie gesagt, zwei blieben übrig. Ein Mann: Schmuddel. Eine Frau: Hügiäne. Zu zweit und schrecklich allein. Und sehr, sehr traurig. Da erbarmten sich die Götter und beschlossen, der Menschheit eine zweite Chance zu geben. Alles auf Anfang. Neustart. Menschheit 2.0. Also sandten sie einen Boten: Meister Propper.

Meister Propper sprach folgendermaßen zu Schmuddel und Hügiäne:

– Seht ihr dort die vielen Spülschwämmchen liegen? Geht hin, lest sie auf und werft sie hinter euch. Aber dreht euch nicht um dabei!

Schmuddel und Hügiäne taten, wie ihnen geheißen. Sie lasen alle Spülschwämmchen auf, warfen sie hinter sich und drehten sich nicht um dabei. Kein einziges Mal.

Die Spülschwämmchen, die mit der rauen Seite nach oben landeten, wurden zu Männern. Die Spülschwämmchen, die mit der weichen Seite nach oben landeten, wurden zu Frauen. So entstand eine neue Menschheit.

Schmuddel und Hügiäne jedoch verschwanden noch am selben auf Nimmerwiedersehen im Hauptwaschgang.